Von Jens Fink-Jensen: Das Verwandlungsmeer (1995)

Auf Dänisch

 
Knossos

Die Sonne versinkt hinter einer Säule, ich weiß nicht zu welchem hunderttausendsten Mal. Eine Touristenschar verweilt einen Augenblick, während eine minoische Fliege auf meinem Notizbuch landet. Eine schöne junge Frau in einer weißen Tunika und mit goldener Haut kommt auf mich zu und fragt, ob ich neu hier im Palast sei. Ich bin nur auf der Durchreise, antworte ich Überrumpelt und lächle, doch indem ich es sage, bekommt ihr Gesicht einen sonderbaren Ausdruck, wie in einer tödlichen Enttäuschung, und plötzlich ist sie fort. Ich denke, sie ist in eine der gefährlichen Gruben gefallen, die nicht durch eine Brüstung gesichert sind, aber ich finde sie nicht. Ich suche Überall, am Ausgang, unter den Touristenhorden wo die Busse halten, in den kleinen Tavernen und Souvenirgeschäften am Weg. Die nächstgelegenen Olivenhaine haben sich den zitternden Zikaden der Mittagsschwüle hingegeben. Auch dort finde ich sie nicht. Zuguterletzt verlasse ich Knossos mit einem Gefühl von Verlust. Etwas hat sich in meinen tiefsten schlummernden Falten bewegt, wie eine Erinnerung an etwas mehr als die Begegnung an sich. Wer sie auch ist, so werde ich sie immer suchen, und ich werde immer ein anderer sein.